Projektjournal zu ‚SAG’S VIELEN … VIELEN!‘

Diese Artikel fassen bisherige Projektaktivitäten zu „SAG’S VIELEN … VIELEN“ zusammen. Von April bis Oktober fanden 9 „WorDshops“ bzw. Gesprächsrunden sowie 7 Live-Hörspielveranstaltungen statt, die in Kooperation mit Basis.Kultur.Wien, den büchereien wien sowie KulturKontakt Austria durchgeführt wurden.

Projektzeitraum 1: Jänner bis Juni 2018
Planungsphase, Gesprächsrunden und WorDshops

Mit Ende Juni 2018 wurden die ersten beiden Phasen des Audioprojekts „Sag’s vielen … vielen!“ der Gruppe gecko art abgeschlossen. Dies waren einerseits die generelle PROJEKTPLANUNGSPHASE sowie die Durchführung von 9 Veranstaltungen unter dem Titel „AUF DEM RÜCKEN DER WORTE“ (5 Gesprächsrunden mit Audiostation für interessierte Personen und 4 WorDshops zu Sprache und Kommunikation für Lehrlinge) mit insgesamt 115 Teilnehmenden. Eines vorweg: Das Thema SPRACHE stieß auf großes Interesse. Über Sprachgebrauch und Sprachmissbrauch – vor allem über Statements von PolitikerInnen und deren mitunter unreflektierte Wiedergabe in Medien zu sprechen, war für viele Teilnehmenden ein großes Anliegen. Die Gesprächsrunden boten auch die Möglichkeit eines diskursiven Austauschs in Echtzeit. GesprächspartnerInnen vor Ort nehmen einander anders wahr als AkteurInnen in Sozialen Netzwerken.

> Info zu den Gesprächsrunden Mai/Juni 2018

Die Veranstaltungen bestanden aus zwei Teilen – zunächst aus dem gemeinsamen Gespräch, danach aus optionalen Sprechaufnahmen an den jeweils aufgebauten mobilen Audiostationen. Das Aufnahme-Modul wurde auch rege in Anspruch genommen. Bei den Veranstaltungen entstand über 160 Minuten Aufnahmematerial.

Partner und Aktionsorte im Projektzeitraum 1

Schon zu Projektbeginn war es wichtig, das Veranstaltungen und Treffen nicht nur als punktielle und isolierte Ereingnisse zu sehen, sondern auch „Querverbindungen“ zwischen den einzelnen Orten zu schaffen. Speziell dafür wurde auch dieses „Projektjournal“ angelegt, eine Art Reportage in progress, in welcher auch alle PartnerInnen genannt und sukzessive vorgestellt werden sollen.
Für die Projektveranstaltungen selbst waren zunächst die Wiener Bezirke Leopoldstadt, Neubau, Simmering, Rudolfsheim-Fünfhaus, Penzing und Brigittenau vorgesehen. Weitere Projektpartner waren Berufsschulen aus Margareten, Rudolfsheim-Fünfhaus und Ottakring. Informell waren zahlreiche Personen vor Ort in das Projekt eingebunden. Das Projektteam war dazu in den Bezirken unterwegs, hatte mit ProjektpartnerInnen und Vereinen in diesen Bezirken Vorbesprechungen und Besichtigungen. U.a. waren bzw. sind dies:

Hauptbücherei Urban Loritz-Platz, 1070 Wien
Bücherei im Bildungszentrum Simmering, Gottschalkgasse, 1110 Wien
Städtische Bücherei Pappenheimgasse, 1200 Wien
Verein spacelab Sachsenplatz, 1200 Wien
Bezirksmuseum Simmering, 1110 Wien
Gebietsbetreuung Stadterneuerung Max Winter Platz, 1020 Wien
Louis Braille Haus / Blindenverband für Wien, NÖ und Bgld, 1140 Wien
Kulturverein Rudolfsheim, 1150 Wien
Brick-5, 1150 Wien
Verein froff, 1150 Wien
Radio Orange 94.0, 1200 Wien
Berufsschule für Verwaltungsberufe, 1050 Wien
Berufsschule für Bürokaufleute, 1150 Wien
Berufsschule für Frisur, Maske und Perücke, 1160 Wien
Berufsschule für Handel und Administration, 1160 Wien

Erfahrungsbericht zu den Gesprächsrunden und WorDshops
„AUF DEM RÜCKEN DER WORTE“

In allen 9 Veranstaltungen (mit persönlicher Anmeldung von Einzelpersonen) griffen die Teilnehmenden das Thema SPRACHE sehr rasch auf. Über Sprache & Sprachgebrauch zu sprechen, schien ein großes Anliegen zu sein. Jedenfalls verliefen alle Gesprächsrunden in einer äußerst beredten Atmosphäre, ohne das sich die SprecherInnen einander ins Wort fielen. Dabei wurde auch wiederholt vom Sprachgebrauch in Politik und Medien gesprochen, Aussagen von PolitikerInnen diskutiert bzw. durchleuchtet und auch erörtert, in wie weit durch Sprache Verunsicherung und Angst erzeugt wird (Fallbeispiele gab im Projektzeitraum Mai/Juni 2018 ja genug).

Auffällig war, wie gut die Mitdiskutierenden informiert waren und oft die selben aktuellen Medienmeldungen einer gemeinsamen Analyse unterzogen. Vor allem bei den Workshops im Bezirksmuseum Simmering (08.05.2018), im „froff“ – Verein für alles Gute (20.06.2018) sowie im Seminarraum von Radio Orange 94.0 (26.06.2018) entwickelten sich komplexe Gedankengänge von VertreterInnen einer äußerst kritischen und wachsamen Öffentlichkeit, aber auch zu den anderen Terminen war man dem Sprachmissbrauch auf der Spur. Da die Teilnehmenden nach der Diskussion die Möglichkeit hatten, an der Audiostation Statements festzuhalten, entstanden auch lyrisch-reflektierende und sehr persönliche Hörbeiträge (etwa im Louis Braille Haus) oder Audio-Gesprächsrunden (wie in der Gebietsbetreuung Stadterneuerung Max Winter-Platz). Insgesamt beteiligten sich 51 Personen zwischen 18 und 76 Jahren an den Gesprächsrunden, die in Kooperation mit der Programmreihe KULTUR VOR ORT von Basis.Kultur.Wien durchgeführt wurde.

Die Lehrlinge aus den oben genannten Berufsschulen verfassten an den WorDshop-Terminen 09.05., 30.05., 05.06. und 19.06.2018 mitunter auch musikalische Beiträge oder Hörszenen und hinterfragten darin auch den Sprachgebrauch bzw. Sprachmissbrauch in ihren eigenen Lebenswelten (z.B. Mobbing). Die Beiträge der Lehrlinge kamen im Juni 2018 als Radiosendungen zur Ausstrahlung. Insgesamt 63 Lehrlinge zwischen 17 und 21 Jahren nahmen an den WorDshops teil, die in Kooperation mit dem KulturKontakt Austria-Programm K3 – Kulturvermittlung mit Lehrlingen von sowie der Reihe GO FOR CULTURE von Basis.Kultur.Wien stattgefunden haben.

Die Gesprächsrunden stellen im Rahmen des Projekts eine eigenständige Hörperspektive dar. Sie fließen nicht textlich in die Hörspielperformance ein, sondern gaben dem Bedürfnis nach Stellungnahme zur Thematik Sprachmissbrauch im Hier & Jetzt einen eigenständigen Hör- und Gestaltungsraum in „Echtzeit“, im lebendigen Gespräch unter physisch anwesenden Personen. Dies machte unter allen Teilnehmenden eine sorgfaltig durchdachte und gegenseitig wertschätzende Meinungsäußerung möglich. Es entstand dadurch eine Form des Disputs, an welche Soziale Netzwerke niemals herankommen. Durch den spannenden Verlauf der Geprächsrunden wurde das Projektteam in seiner Hörspielproduktion bestärkt, denn über Sprachgebrauch und Sprachmanipulation zu sprechen, schien ein großes Anlíegen zu sein.

Projektvorbereitungen: August 2018
Performance-Texterarbeitung und Audioskulptur als Hörstation

Mit August 2018 begann die intensive Vorbereitungsarbeit für die 7 Live-Hörspiel-Veranstaltungen, d.h. für den Performance-Teil des Projekts im Herbst. Kernstück war die Erarbeitung der Texte zu allen Audiostücken durch Walter Kreuz, der eine intensive Recherchephase in Originaltexten von Bertha von Suttner sowie in völkerrechtlichen Vertragstexten, ihren Präambeln und Absichtserklärungen (bis zurück ins 19. Jahrhundert) vorausging. Dialogregie führte Evelyn Blumenau, die auch die Proben leitete und sprachlich inszenierte.

Ziel war es, ausgehend von Suttner einen Bogen von 130 Jahre bis zur Gegenwart zu spannen und die Friedensthematik in ihrem sprachlichem Erscheinungsbild zu verfolgen. Dabei wurde nicht auf die Ideenproduktion der Gesprächsrunden-TeilnehmerInnen zurückgegriffen, denn deren Statements sollten exklusive an einer Hörstation (siehe unten) im Rahmen der Hörspielveranstaltungen präsentiert werden.

Suttners Werk als Anregung und Denkanstoß

Das Live-Hörspiel selbst ging direkt von Überlegungen in Suttnerschen Schriften aus. Denn Bertha von Suttner war von der Friedensidee geradezu durchdrungen gewesen und hatte in ihren Werken eine unabsehbare Zahl von Denkanstößen hinterlassen. Sie hatte Institutionen vorgedacht, die erst Jahrzehnte später geschaffen wurden und die zum Teil im Hörspiel Erwähnung finden sollten.
Übrigens, Bertha von Suttner, die Dame in Schwarz am ehemaligen Schilling-Tausender, war ja alles andere als eine verstaubte Monarchie-Baronin. Sie war wortgewandt, angriffig, unermüdlich, international – und sie war die meiste Zeit ihres Lebens arm. Sie brach mit einer Latte von morschen Traditionen, kritisierte Kirche, Sozialdemokratie, Boulevard, Hausfrauen-Dasein, Nationalismus gleichermaßen. Sie sah Sinn in der Welt und setzte sich dafür ein, sie folgte ihrer Berufung.

Die Audioskulptur und das Erhorchen der Gesprächsrunden-Statements

Plan war, dass an den Live-Hörspiel-Orten zwei Elemente einander ergänzen sollten – einerseits die Audioperformance mit Sprechtext und Sound und Einspielungen, andrerseits die Audiostation mit den Aufnahmen der Personen, die an den Gesprächsrunden (bzw. Workshops) im Mai/Juni 2018 teilgenommen hatten. Deshalb war es dem Projektteam ein wichtiges Anliegen, dass diese Aufnahmen auch an den Hörspielorten „sichtbar“ platzert werden konnten.

Zu diesem Zweck wurde das VISIO*PHON aufgestellt, eine gecko art-Audioskulptur in Form eines überdimensionalen Fragezeichens, an dessen Kopfhörern in Ausschnitte der Mai/Juni-Aufnahmen hineingehorcht werden konnte. Das Fragezeichen sollte das Fragen-Stellen symbolisieren, denn auch von der Kulturtechnik des Fragens machten die Personen in den Gesprächsrunden reichlich Gebrauch.

Die Live-Hörspielaufführungen im Zeitraum vom 12. September bis 30. Oktober

Die sieben Aufführungen fanden in Kooperation mit den PartnerInnen vor Ort statt und wurden von ihnen auch in der Bewerbung und an den Veranstaltungsabenden mitbetreut. Die Live-Hörspiele wurden in sechs Bezirken (Neubau, Simmering (zweimal), Leopoldstadt, Rudolfheim-Fünfhaus, Penzing und Brigittenau) präsentiert und konnten Publikumsschichten aus den jeweiligen Grätzeln und Bezirken, aber auch aus anderen Bezirken erreichen. > Inhalte des Hörspiels.

Allen Aufführungen gemeinsam war das große Interesse des Publikums an den geschichtlichen Inhalten wie auch an der ästhetischen Umsetzung des Live-Hörspiels, das neben den Sprechperformances von Blumenau und Kreuz live gesprochene Informationsteile beinhaltete. Die Einbindung von Klanginstrumenten und Toneinspielungen erschuf eine dichte Audioatmosphäre und Hörspiel-Stilistik. Die Klanginstrumente konnten von den ZuseherInnen nach den Aufführungen näher betrachtet und ausprobiert werden. Insgesamt kamen ca. 200 Personen zu den Aufführungen

Termine und Orte waren:

MI, 12.09., 19.00 Uhr
Hauptbücherei, Urban Loritz-Platz 2a, 1070 Wien

FR, 21.09., 19.00 Uhr (UN Weltfriedenstag)
Gebietsbetreuung-Stadterneuerung, Max Winter-Platz 25, 1020 Wien

DI, 25.09., 18.30 Uhr
Bücherei im Bildungszentrum Simmering, Gottschalkgasse 10, 1110 Wien

DI, 02.10., 19.00 Uhr
Brick-5, Herklotzgasse 21, 1150 Wien

DO, 04.10., 19.00 Uhr
Louis Braille Haus, Hägelingasse 4-6, 1140 Wien

SO, 21.10., 11.00 Uhr / Matinee
Bezirksmuseum Simmering, Enkplatz 2, 1110 Wien

DI, 30.10., 19.00 Uhr
Städtische Bücherei, Pappenheimgasse 10-16, 1200 Wien

Resonanz, Feedback und Gespräche

Die Gespräche nach den Aufführungen drehten sich vor allem um die eigenen Beobachtungen der ZuseherInnen in Bezug auf Sprachmanipulation in Politik und Gesellschaft, um Zeitgeschichte an sich, um konstruktive Streitkultur und um die gesellschaftliche Bedeutung des Friedensnobelpreises. Sehr oft kam die Meldung, dass man sich selber gerne über die im Live-Hörspiel angesprochenen Themen weiter informieren und auch Bücher von oder über Suttner lesen wolle. Z.T. wurde Bei den Aufführungen in den Büchereien durch gut sichtbare Hinweise (Büchertisch) oder persönliche Empfehlungen der GastgeberInnen auf lagernde Bücher aufmerksam gemacht, die sich mit der Thematik beschäftigen.

Zusätzlich entwarf das Projektteam auf Anregung eines interessierten Besuchers im Bildungszentrum Simmering eine Kurzinformation mit den wichtigsten Fakten des Live-Hörspiels und legte diese für Interessierte nach den Aufführungen auf.
In einigen Gesprächen wurde von BesucherInnen thematisiert, dass das Programm ‚SAG’S VIELEN … VIELEN!‘ für ältere SchülerInnen auch in Schulen aufgeführt werden sollte.

Davor und danach: Horchen am VISIO*PHON

Die gecko art-Audioskulptur in Form eines überdimensionalen Fragezeichens wurde vor und nach den Aufführungen aktiviert. Mittels Kopfhörer konnten die ZuschauerInnen in Ausschnitte der Aufnahmen hineinhorchen, die im Mai/Juni im Rahmen von Gesprächsrunden und Workshops von Erwachsenen und Jugendlichen zur Thematik ‚Kommunikation/Sprachgebrauch‘ gestaltet wurden. Dieses Angebot wurde bei allen Terminen von ZuseherInnen verschiedenster Altersstufen interessiert wahrgenommen.

Kooperation und Werbeaktivitäten vor Ort

Die Kooperation mit den VeranstalterInnen vor Ort klappte bestens. Da die Bewerbung des Projekts zusätzlich über deren Mailverteiler erfolgte, waren die meisten Abendveranstaltungen äußerst gut besucht. Zusätzlich konnte das Projektteam in der Umgebung des Aufführungsort in Lokalitäten Plakate aufhängen und Flugzettel hinterlegen – auch in Geschäften, wo manchmal Plakate sogar am Schaufenster angebracht werden konnten.