PLATZ NEWS LIVE

Sprech- und Bewegungsperformance sind die inszenatorischen Mittel in PLATZ NEWS LIVE. In „ganzkörperlichem“ Erscheinungsbild präsentieren die AkteurInnen ihre Beiträge als moderne DorftrommlerInnen mit Lesetexten und Audio-Inserts. Die Texte sind soweit strukturell und sprechinszenatorisch aufbereitet, als es Verständlichkeit & Open air-Situation erfordert: So gibt es etwa Wiederholungsmodule in Texten, akustische Überschriften als Sprech-Duett oder Diagramme als künstlerische 3D-Modelle „zum Angreifen“, die beim Beitrag zur (Live-)Veranschaulichung verwendet werden. PA-Anlage und Mikros fungieren als Bühnenbild-Requisiten vor Ort

PLATZ NEWS LIVE – Zur Entstehung der Idee

Um einer Flut von Negativ- und Katastrophenmeldungen entgegenzuwirken (worst news are best news), wird es auch bei „klassischen“ Audio- und Radioprojekten immer wichtiger, Berichte sowie Reportagen konstruktiv-informativ und respektvoll zu gestalten – um Wissen auf empathische Weise zu vermitteln, um ein Erschließen von Zusammenhängen zu ermöglichen, um mediale Beiträge so aufzubereiten, dass sie auch für Menschen verschiedenster Weltanschauungen einen Informationszugewinn darstellen.

Dies sind etwa Berichte PLUS Hintergrundinformation, grundlegendes Faktenwissen z.B. zu demokratischen Prozessen und Menschenrechten, zur Glücksarbeit, best action-Beispiele zum Abbau von Stress oder zu erfolgreicher Hilfe (z.B. nach Katastrophen), ebenso Beiträge zu Arbeitswelt, sozialen Kompetenzen, Erfahrungswissen, Mobilität, Kommunikation, Innovationen, Fertigkeiten, Gesundheit, Zufriedenheit, zwischenmenschlichen Aspekten, Empowering, Kritik, Lösungsansätzen u.v.m.).

NEWS-PERFORMANCES
Information und (die Grenzen ihrer) Inszenierung

Berichterstattung und Ankündigung benötigen stets inszenatorische Mittel. Selbst der eingangs erwähnte Dorftrommler war kostümiert, benutzte ein spezielles Schlaginstrument oder eine Glocke zur „Signation“ seines Nachrichtenblocks. Darauf folgten seine Verkündigungen, die auch feststehende Sätze einhielten (heute etwa Anmoderation bzw. Abmoderation) und die er zwischen den „News“  und Verlautbarungen vortrug.

Sprung zur Gegenwart: Newsrooms wirken wie überfrachtete Bühnenbilder (Weltkugel, Infoscreens, Fotos, Inserts, dynamisch-virtuelle Module, mit denen die ModeratorInnen nicht selten ihr Timing-Problem haben). Stehende TV-SprecherInnen sollen mitunter Aktualität und Kürze vermitteln, sitzende SprecherInnen vertiefende Aspekte in ihren Beiträgen. Und da sind dann noch das (eigentlich nicht mehr nötige) übergroße Mikrofon mit Sender-Logo und die Frontaleinstellung der AußendienstmitarbeiterInnen in „Live-Übertragung“, Hintergrundslärm inklusive. Berichterstattung oder Inszenierung aus „der Mitte des Geschehens“?

PLATZ NEWS LIVE im Juni 2017Ein kurzer Rückblick

Im Zeitraum 07.06. bis 23.06. fanden in Wien im Rahmen des WIR SIND WIEN.FESTIVALS insgesamt 30 jeweils 15 minütige News-Performances statt. Die PerformerInnen Evelyn Blumenau und Walter Kreuz kamen bereits in ihrer PLATZ NEWS-Kostümierung „als fahrende NachrichtensprecherInnen“ zu den Aktionsarealen (sie wurden bereits in den öffentlichen Verkehrsmitteln interessiert beobachtet). Eine der wichtigsten Erfahrungen war: Sich irgendwo hinzustellen und Nachrichten für zuhörende Personengruppen vorzutragen, ist in einer ZEIT VON PERSONALISIERTEN NACHRICHTENMEDIEN sowohl für PerformerInnen als auch für Publikum neu. Auch die Möglichkeit, dass Nachrichten VOR ORT im Gesprächsaustausch geteilt werden konnten (und dass dies nicht durch Fingertipp am Smartphone geschieht), wurde erst nach und nach genutzt. Die PerformerInnen fühlten sich zu manchen Zeiten tatsächlich wie historische DorftrommlerInnen, die mit ihrem Erscheinen einen Ort erst zur News Performance Area machten.

Die Neuigkeit performativ vorzutragen, wurde durchwegs selbst als Neuigkeit wahrgenommen. Und da kam es auch vor, dass einzelne Zuhörende manche Beiträge für Fake News hielten (eben wegen der Live-Situation bzw. des performativen Vortrags) und die Performance frühzeitig verließen. Doch der Großteil des Publikums blieb jeweils bis zum Ende und suchte danach fast immer das Gespräch über die vorgestellten Themen und Inhalte.

Obwohl diese Form, Nachrichten zu präsentieren, ungewohnt war, herrschte bei den Performances eine überwiegend gute Stimmung. Zugleich legten Zuhörende aber auch Ernsthaftigkeit und kritisches Interesse an den Tag. Durch die einleitenden Worte war klar, dass es sich bei der Aktion weder um ein „Theaterstück“ noch um eine „Show“ handelt, sondern dass dramaturgisch aufbereitete Information dargeboten wurde. Die Zuhörenden waren zum überwiegenden Teil sehr interessiert, reagierten auch auf Pointen oder nickten zustimmend, falls der Inhalt eines Beitrags für sie bereits bekannt war. Nach den meisten Performances entstanden ganz von selbst mit den Zuhörenden Gespräche, die sich auf die eben gehörten Nachrichtenthemen bezogen. Vor allem zeigte sich, dass das Publikum mitunter eine vertiefende Betrachtung der vorgestellten Themen wünschte. Im Rahmen von Publikumsgesprächen wurden auch manche Beiträge von PLATZ NEWS LIVE auch kritisch hinterfragt. In zwei Fällen konnten die Meldungen mit Zuhörenden gemeinsam adaptiert bzw. ergänzt werden.

Die intensive Performancezeit zeigte, dass unter Menschen ein großes Sprechbedürfnis – insbesondere im öffentlichen Raum – besteht und Gelegenheiten unterschiedlicher Art wahrgenommen werden, um sich mitzuteilen und auszutauschen. PLATZ NEWS LIVE bot hierfür eine temporäre Interaktionsmöglichkeit in Echtzeit & Echtraum, ohne dass Berührungsängste zwischen AkteurInnen und Publikum aufkamen.