ORTSGESPRÄCHE: EIN OUTDOOR-RADIOPROJEKT

ortsg_01minVor Ort
Junge Menschen zwischen 12 und 18 Jahren waren die AkteurInnen dieses Audioprojekts, das mit vollem Titel ortsgespräche / ortsbedichtung / ortsvertonung heißt. Das Projekt führte uns zu Schulen in Gols (Bgld.), Gloggnitz und Poysdorf (NÖ). Die TeilnehmerInnen durchstreiften ihre Ortschaften mit mobilen Aufnahmegeräten, um sie mit Statements, Hör-Theater, Beschreibungen oder Interviews zu befüllen. Dies geschah alles mit den eigenen Stimmen, mit oder ohne Vorbereitung, improvisiert oder geprobt und in einem Ausmaß, das alle Teilnehmenden überraschte.

Den SchülerInnen machte es Spaß, sich unter dem Motto Reportage vor Ort außerhalb der Schule zu bewegen und Wahrnehmungen aller Art in Sprache umzusetzen. Viele Details, an denen sie jeden Tag vorbeigingen, ohne ihnen Bedeutung zuzumessen, standen plötzlich im Mittelpunkt, wie etwa die große Uhr an einem Gebäude in Gloggnitz, welche nie die richtige Zeit anzeigt oder Bodenlichter am Hauptplatz, die in der Folge zum Interview gebeten wurden. Aber auch Lieblingsorte bzw. Orte, die die Jugendlichen von Veranstaltungen kannten, wurden aufgesucht und in die Beiträge miteinbezogen (z.B. das Volksfestgelände in Gols und die Gstetten in Poysdorf). Teilnehmende Schulen waren die Neue Mittelschule Gols, die Polytechnische Schule Gloggnitz und die Landwirtschaftliche Fachschule Poysdorf.

Vor Ort – real und fiktional
Genau diese Aspekte machen das Projekt spannend: Junge Menschen berichten aus ihrem unmittelbaren Erfahrungsumfeld, wählen selbst die Orte aus und entscheiden, in wie weit sie sich auf der deskriptiven Ebene bewegen odortsg_03miner ob sie einen Beitrag fiktional gestalten wollen, wie etwa mittels Rollenspiel, Hörspiel oder gespieltem Interview. So z.B. meldeten sich mit den Stimmen der SchülerInnen u.a. folgende Objekte zu Wort:
eine Sitzbank, ein Wasserfall, Statuen, eine Schwimmbadfliese, eine Weinrebe, eine Dachrinne, weggeworfene Getränkedosen, ein Fahrrad, ein Nadelbaum, ein EVN-Verteilerkasten. Die SchülerInnen vollzogen in diesen Hörszenen einen bemerkenswerten Perspektivwechsel, indem sie sich in die Objekte einfühlten und manchmal auch auf spielerische Weise Kritik übten.

Vor Ort – Reflexion und Kritik
Reportagen vor Ort, Gespräche vor Ort – Ortsgespräche eben – ermöglichen Reflexion, sie können persönliche Erinnerungen an frühere Ereignisse wecken und sie zu Sprache bringen. In Poysdorf etwa war die Kritik an der sehr lauten Brünner Straße unüberhörbar, und auch die immer noch im Bau befindliche Ortsumfahrung wurde thematisiert – in einem Gespräch, das in dieser Art nur vor Ort entstehen kann. Auf diese Weise kann ein Ort auch Anlass zum Nachdenken, zur Stand-Ort-Bestimmung für sich selbst werden.

Die ortsgespräche waren im Rahmen des SchülerInnen-Radios im Webstream des Ö1-Campus im Zeitraum Dezember 2015 und Jänner 2016 zu hören.

Ausgehend vom praktizierten Musterthema Orte agiert gecko art auch als Impulsgeber für Schüler und Schülerinnen der teilnehmenden Schulen. Wir bestärken sie in weiterführenden Treffen darin, ihre eigenen Themen zu entwickeln, die auf Eigenerfahrungen, Stellungnahmen und Kreativität beruhen. Diese Ideen auf produzierbare Einheiten herunterzubrechen, zu gestalten und aufzunehmen, sehen wir als erste Schritte zur selbstständigen Audioproduktion von Jugendlichen.

Wir danken allen SchülerInnen und Lehrkräften der teilnehmenden Schulen für die Kooperation. Das Projekt ortsgespräche / ortsbedichtung / ortsvertonung in Gols, Gloggnitz und Poysdorf fand von März bis November 2015 (Vorbesprechungen, Workshops, Nachbereitungstreffen) statt und wurde vom BMBF unterstützt.